Archäologische Spuren der Vergangenheit: Kelten und Römer

1. Hallstattzeitliche Figur in Menschengestalt - Eine einzigartige Tonstatuette zeugt von keltischem Kult (Geislingen an der Steige)

Seit vielen Jahren ist Hans Hagel aus Geislingen ein bewährter ehrenamtlicher Mitarbeiter der Kreisarchäologie Göppingen. Bei einer Geländeerkundung entdeckte er unweit seiner Heimatstadt im Ackergelände eine Siedlung, die zwischen dem 7. und 5. vorchristlichen Jahrhundert v. Chr. von frühen Kelten bewohnt war. Der Tiefpflug hatte hier mehrere im Boden verborgene Siedlungsgruben erfasst und weitgehend zerstört. Die Ackeroberfläche war mit Bruchstücken typischer keltischer Keramik übersät. Unter den von Hagl geborgenen Gefäßresten fanden sich aber auch mehrere Fragmente einer etwa 20 cm hohen Tonfigur in Menschengestalt. Die zusammengesetzten Bruchstücke lassen sich drei Körperzonen einer Statuette zuordnen, deren Geschlecht aufgrund fehlender Teile des Torsos nicht sicher zu bestimmen ist. Vom Kopf ist nur die hintere Partie mit dem zur rechten Schulter ausbiegendem Nacken sowie die rechte Gesichtshälfte mit einer spitzen Nase und einem übergroß wirkenden Auge erhalten. Ein Teil des rechten Oberarms mit dem Ansatz des rechtwinklig abgebogenen Unterarms ist anatomisch relativ exakt geformt. Dies gilt auch für das rechte Bein mit deutlich hervorgehobenem Knie und ausgeprägter Wade.

Tönerne Figur in Menschengestalt mit kultischer Funktion aus den Abfallgruben einer Siedlung der frühkeltischen Hallstattzeit bei Geislingen an der Steige (Foto: Katja Bode)
Tönerne Figur in Menschengestalt mit kultischer Funktion aus den Abfallgruben einer Siedlung der frühkeltischen Hallstattzeit bei Geislingen an der Steige (Foto: Katja Bode)

Solche Kleinplastiken in Menschengestalt sind in Südwestdeutschland aus der frühkeltischen Hallstattzeit bisher noch unbekannt. Auf der Suche nach Vergleichen führt die Spur nach Bayern und Österreich. In einigen Fällen waren solche kleinen Statuetten Bestandteile von Menschen- und Tierfiguren, die auf den Schultern von Kegelhalsgefäßen oder auf Schalenrändern angebracht wurden. Solche außergewöhnlich gestalteten Gefäße wurden sicher bei der Ausübung kultischer Riten eingesetzt.  Die horizontal abgehobene und rechtwinklige Armhaltung der Geislinger Tonfigur spricht für die Darstellung eines Adoranten oder einer Adorantin in Gebetshaltung und somit für deren Verwendung bei Kulthandlungen. Von allen anderen Figuren dieser Art setzt sie sich deutlich durch die sehr genaue Ausformung anatomischer Merkmale ab. Hier stellt sich nun die Frage, ob der Geislinger Künstler ohne Vorbilder auf die Idee kam, eine möglichst reale Figur zu schaffen oder ob er importierte Kunstwerke aus anderen Kulturkreisen vor Augen hatte. Denn die Vorbilder dieser in Süddeutschland so seltenen Fundgruppe finden sich im mediterranen Süden und in der Schwarzmeerregion. Im Nördlicher Ries wurde in hallstattzeitlichem Siedlungskontext eine nur 12 cm große Bronzestatuette aus Etrurien gefunden. Sie stellt einen Jüngling mit großen runden Augen, einer spitzen Nase und markant geformter Beinmuskulatur dar.

Weiterführende Literatur

Reinhard Rademacher, Eine anthropomorphe Tonstatuette der Hallstattzeit aus Geislingen an der Steige, Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen, Band 21, Weißenhorn 2023, S. 391-394

2. Weltoffene Filstal-Kelten waren zahlungskräftig - Spätkeltische Silbermünze (Gingen an der Fils / Süßen)

Zwischen Gingen und Süßen mündet die von Nordosten kommende Lauter in die Fils. Gute Böden, genügend Wasser, günstige Klimaverhältnisse und die Nähe zu den Eisenerzvorkommen des Braunen Jura und der Schwäbischen Alb animierten die Menschen bereits in vorrömischer Zeit zum Bau von Siedlungen dieser Landschaft. Während der spätkeltischen Zeit entwickelte sich hier eine Großsiedlung mit einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer.  Die Führungselite dieses Regionalzentrums residierte in drei Herrenhöfen. Die Befestigung der annähernd quadratischen Anlagen bestanden aus einem mit Palisaden gesicherten Wall und einem vorgelagerten Wehrgraben. Im Rahmen zahlreicher Bodeneingriffe, darunter Gewässerrenaturierungen sowie den neuen Trassen von B 10 und B 466 ist die Kreisarchäologie Göppingen seit 2010 immer wieder im Gelände aktiv. In Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurden neben baubegleitenden Untersuchungen auch systematische Geländebegehungen und geophysikalische Prospektionen durchgeführt. Inzwischen lässt sich sagen, dass im Umfeld der drei herrschaftlichen Viereckschanzen während des 2. vorchristlichen Jahrhunderts zahlreiche Gehöfte angelegt wurden. Zumeist waren die in Holzpfosten- und Schwellbalkenbauweise erstellten Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Zäunen umfriedet. Die Entdeckung eines Verhüttungsplatzes verdeutlicht, dass die Eisengewinnung zu den wirtschaftlichen Standbeinen der Großsiedlung gehörte. Innerhalb des Keramikspektrums dokumentiert der hohe Anteil an Drehscheibenware einen außergewöhnlichen Wohlstand ihrer Bewohner. In die gleiche Richtung weisen auch die Bruchstücke von Armreifen und Perlen aus buntem Glas.

Die Weltoffenheit der Filstalkelten wird durch rege Handelsverbindungen deutlich. Überaus beliebt war zu dieser Zeit eine handgeformte Keramikware mit einem Silbermetallic-Effekt, den man während des Herstellungsprozesses durch die Beigabe von Graphit in die Tonmasse erzielten konnte. Der hierfür benötigte Graphit musste aus Bayern importiert werden. Seit der Zeit um 300 v. Chr. entwickelte sich in den keltischen Siedlungsgebieten ein wohlgeordnetes Münzwesen. Vorbilder waren Münzen aus dem mediterranen Süden und hier vor allem aus Griechenland. Die Begegnung mit der dortigen Stadt- und Wehrarchitektur führte im 2. vorchristlichen Jahrhundert in den keltischen Stammesgebieten auch zum Bau befestigter Großsiedlungen. Cäsar hat diese „Oppida“, zu denen auch Alesia gehörte, in seinen Kriegsberichten um 50 v. Chr. genau beschrieben. Erst mithilfe der Münzprägung war ein reibungslos verlaufender Fernhandel zwischen den Kulturen nördlich und südlich der Alpen möglich geworden.

Spätkeltische Kreuzmünze vom Typ Dühren aus dem spätkeltischen Regionalzentrum zwischen Gingen an der Fils und Süßen (Foto: Katja Bode)
Spätkeltische Kreuzmünze vom Typ Dühren aus dem spätkeltischen Regionalzentrum zwischen Gingen an der Fils und Süßen (Foto: Katja Bode)

Mehrere Münzfunde verdeutlichen, dass auch die zum Stamm der Helvetier gehörenden Bewohner der zwischen Gingen und Süßen gelegenen Großsiedlung an diesem kulturellen Austausch beteiligt waren. Eine von Tobias Straub bei der Feldarbeit gefundene Potinmünze trägt auf der Vorderseite ein Herrscherportrait - vermutlich kein Geringerer als der Makedonenkönig Alexander der Große. Die Rückseite zeigt aber ein typisch einheimisch-keltisches Element, nämlich einen prächtigen Wildschweineber mit aufgestellten Borsten. Dieser Münztyp wurde seit 120 v. Chr. bei den Leukern, einem keltischen Stamm im heutigen Lothringen, hergestellt. Eber-Potine waren vor allem in Gallien und am Oberrhein im Umlauf. Durch Handelsbeziehungen gelangten sie aber auch in die weiter entfernten Siedlungsräume der Kelten. Östlichster Fundort eines Eber-Potins ist das Oppidum „Stradonice“ bei Prag in Tschechien.

Außerdem waren im süddeutschen Raum zahlreiche Silber- und Goldmünzen in Gebrauch, die in Zentralsiedlungen wie dem Oppidum von Manching in Bayern oder auch dem Heidengraben-Oppidum auf der Uracher Alb geprägt wurden. Der hiesige Fund stammt ebenfalls aus dem spätkeltischen Regionalzentrum zwischen Gingen und Süßen. Es handelt sich um eine silberne Kreuzmünze vom Typ Dühren, die seit 150 v. Chr. im Umlauf war. Der möglicherweise in Bayern geprägte Quinar zeigt auf seiner Vorderseite einen nach links blickenden Kopf mit Locken – also wiederum ein Motiv, das einem antiken Herrscherkopf nachempfunden wurde. Auf der Rückseite ist ein Kreuz erkennbar, in dessen Winkeln zwei Pfeile und zwei Kreisgruppen jeweils gegenüberliegend angeordnet sind. Neben den Münzen ist unter den Funden ein 2,7 cm großer stilisierter Stierkopf hervorzuheben. Unklar ist, ob er Teil eines Gürtelhakens war.

Diese Münzfunde haben inzwischen leider auch illegale und somit nach dem Gesetz deutlich kriminell agierende Sondengänger auf den Plan gerufen. Das Laufen mit einer Metallsonde ist in Baden-Württemberg verboten. Daher wird das Gebiet zwischen Gingen und Süßen von der Kreisarchäologie Göppingen in enger Zusammenarbeit mit den Landwirten, der Polizei und dem Landesamt für Denkmalpflege sehr intensiv überwacht. Auch die Bevölkerung wird zur Mithilfe aufgerufen. Bei entsprechenden Beobachtungen bitten wir darum, umgehend die Polizei zu verständigen und, falls erkenntlich, auch die Autokennzeichen verdächtiger Personen zu notieren.

Weiterführende Literatur

Reinhard Rademacher, Michael Weidenbacher, Kelten und mehr – Archäologische Erkundungen im Filstal zwischen Gingen und Süßen, Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2023, S. 142-146

3. Brennpunkt Albtrauf – für wenige Jahrzehnte Roms nördliche Reichsgrenze (Kleinkastell Schonterhöhe, Deggingen & Kastell Eislingen / Salach)

Im Jahr 15 v. Chr. befahlt der römische Kaiser Augustus die Eroberung des zentralen Alpenraums. Der Feldzug stand unter dem Kommando seiner Stiefsöhne Drusus und Tiberius. Mit mehreren Legionen stießen sie gleichzeitig über den Brenner und über den Reschenpass nach Norden vor. Nach den Berichten der Geschichtsschreiber Cassius Dio und Strabon wurden die römischen Truppen dabei in harte Kämpfe mit der rätischen Bergbevölkerung verwickelt. Im Zuge der Unterwerfung von 46 Alpenstämmen kam es auch am Bodensee zu massiven Kampfhandlungen zwischen der Heeresabteilung des Tiberius und den hier ansässigen Vindelikern. Anschließend drang der Feldherr noch bis zu den Donauquellen vor. Die an den Kämpfen beteiligte und 24 Jahre später im Teutoburger Wald vernichtete 19. Legion wurde zur Grenzsicherung in Dangstetten stationiert.

Silberdenar des Kaisers Trajan, geprägt 107-108 n. Chr. Vorderseite: Kopf des Trajan, Rückseite: Justitia (Aequitas), Waage und Füllhorn haltend (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)
Silberdenar des Kaisers Trajan, geprägt 107-108 n. Chr. Vorderseite: Kopf des Trajan, Rückseite: Justitia (Aequitas), Waage und Füllhorn haltend (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)

Schon bald nach der Besetzung auch des Alpenvorlands bildeten Rhein und Donau die neuen Grenzen des Imperiums. Die Landstriche im Zwickel zwischen den beiden Flüssen, also der heutige südwestdeutsche Raum, waren zu dieser Zeit noch von Kelten besiedelt. Aus militärtaktischen Gründen wurde die Reichsgrenze jedoch schon ab 74 n. Chr. in mehreren Phasen vom Rhein weiter nach Osten und von der Donau nach Norden verschoben. Bereits um 100 n. Chr. war der Ausbau des Odenwald-Neckar-Limes mit Kastellen und partiell auch mit einer turmbewehrten Befestigungslinie abgeschlossen. Kurz zuvor hatten römische Truppen auch die Donau überschritten, um den Alblimes auszubauen und zu sichern. Dieser neue Abschnitt der römischen Reichsgrenze verlief entlang des Albtraufs und bestand aus einer Kette von Kastellen, zu der auch das 1976 im Rahmen einer Lufterkundung entdeckte Kleinkastell Schonterhöhe auf der Gemarkung von Deggingen im Landkreis Göppingen gehörte. Die Militärstützpunkte waren durch eine gut ausgebaute Heerstraße miteinander verbunden. Römische Funde vom Schlossberg bei Bad Ditzenbach legen den Verdacht nahe, dass es auch an dieser Grenzlinie im markanter Position Beobachtungstürme zwischen den Kastellen gegeben hat. Großen Truppenlager in Bad Cannstatt und in Heidenheim bildeten die militärische Schaltstellen.

Bodenstück einer römischen Bilderschüssel vom Standort einer Villa Rustica bei Hattenhofen. Herstellerstempel SATURNINUS, Produktionsort in Ostgallien, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr. (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)
Bodenstück einer römischen Bilderschüssel vom Standort einer Villa Rustica bei Hattenhofen. Herstellerstempel SATURNINUS, Produktionsort in Ostgallien, 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr. (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)

Im Gegensatz zu anderen Regionen im Südwestdeutschen Raum ist über die Siedlungsabläufe während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung im Landkreis Göppingen bis jetzt nur sehr wenig bekannt. Unsere Kenntnis zu den meisten Fundplätzen beruht auf zufällig bei älteren Baumaßnahmen geborgenen Objekten oder sie bezieht sich auf Lesefunde von Feldbegehungen. In einigen wenigen Fällen wurden Befundbeobachtungen auf Baustellen durch interessierte Laien in Form von Skizzen und Beschreibungen festgehalten. Einzig die römischen Baureste unter der Göppinger Oberhofenkirche konnten 1980 während der Renovierungsarbeiten durch das damalige Landesdenkmalamt Baden-Württemberg fachkundig dokumentiert werden. Um die Siedlungsabläufe während der römischen Epoche endlich besser bewerten zu können, entstand 2018 ein spannendes Gemeinschaftsprojekt der Kreisarchäologie Göppingen und des Landesamts für Denkmalpflege.

Das Kastell auf der Schonterhöhe war mit einem in den Felsen gehauenen Spitzgraben und einem Innenwall befestigt (Foto: Sarah Roth / Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg)

Der zivilen Besiedlung unserer durch die Besonderheiten von Schurwald, Filstal, Voralbgebiet und Schwäbischer Alb geprägten Region ging die militärische Eroberung voraus. Daher standen zunächst die bisher bekannten Kastellplätze auf der Schonterhöhe und an der Gemarkungsgrenze zwischen Eislingen/Fils und Salach im Fokus der Forschungen.
Zusammen mit Studenten der Universität Freiburg wurde 2019 die baumbestandene Westseite des 58 x 55 m großen Kleinkastells Schonterhöhe erstmals genauer untersucht. Dass der Wall des Holz-Erde-Lagers im Bereich eines hier verlaufenden Lesesteinriegels noch fast einen Meter hoch erhalten ist, war ein unerwartetes und somit sensationelles Ergebnis. Hingegen ist im angrenzenden Wiesengelände von der Anlage aufgrund der Bodenerosion und älterer Pflugtätigkeiten obertägig nichts mehr erkennbar. Allerdings geben sich der Wehrgraben und auch wesentliche Teile der Innenbebauung auf Luftbildern und in der geomagnetischen Kartierung sehr deutlich zu erkennen. Dem mit einer Palisade bewehrten Erdwall war ein zwei Meter breiter und noch einen Meter tiefer Graben vorgelagert. Diesen hatten die Soldaten beim Bau des Kastells aufwändig aus dem anstehenden Jurafelsen herausgemeißelt. Neben wenigen Gefäßscherben und Schuhnägeln fand sich in der Grabenverfüllung ein für die zeitliche Einordnung des Kastells äußerst wichtiges Objekt. Es handelt sich um eine bronzene Gewandschließe aus der Zeit des späten 1. oder frühen 2. nachchristlichen Jahrhunderts. Das Konstruktionsprinzip dieser kräftig profilierten Fibel entspricht dem einer Sicherheitsnadel. Knöpfe zum Verschließen der Kleidung waren bei den Römern noch nicht in Gebrauch.

Die kräftig profilierte Bronzefibel aus dem Wehrgraben des römischen Kleinkastells Schonterhöhe war bei der Freilegung von Baumwurzeln umgeben (Foto: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg)
Die kräftig profilierte Bronzefibel aus dem Wehrgraben des römischen Kleinkastells Schonterhöhe war bei der Freilegung von Baumwurzeln umgeben (Foto: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg)

2019 wurde auch im Bereich des etwa 2,2 ha großen Kastells Eislingen / Salach eine erste Forschungsgrabung durchgeführt. Interessante Strukturen dieses seit 1966 bekannten Holz-Erde-Kastells, darunter die zur Umwehrung gehörenden Türmen und vier Toranlagen sind auf Luftbildern und einer neu durchgeführten geomagnetischen Kartierung gut erkennbar. Die Untersuchung unweit der westlichen Kastellecke hat ergeben, dass der Wehrgraben 10 m breit und noch 1,30 m tief erhalten war. Auch hier wurde in der Grabenverfüllung eine für die Zeitstellung des Kastells aufschlussreiche Gewandschließe aus Eisen geborgen. Die Variante des Typs „einfache gallische Fibel“ hatte ihre Hauptverbreitung im ausgehenden 1. und frühen 2. nachchristlichen Jahrhundert.

Kastell Eislingen / Salach, Blick auf die Grabungsfläche 2019 (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)
Kastell Eislingen / Salach, Blick auf die Grabungsfläche 2019 (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)

Es spricht vieles dafür, dass man das Kastell Eislingen / Salach schon im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. angelegt hat. Bereits Jahrzehnte vor der Errichtung des Obergermanisch-Rätischen Limes um 160 n. Chr. ergriff das römische Militär offenbar Maßnahmen zur Erschließung strategisch und verkehrstechnisch wichtiger Straßenverbindungen im Vorfeld des Alblimes. Das Filstal spielte dabei eine herausragende Rolle, begünstigte es doch einen nahezu idealen Trassenverlauf von dem am Neckarknie liegenden Kastell Köngen in Richtung Heidenheim mit seinem großen Kastell für 1000 Reiter. Das auf einer Hochterrasse nördlich der Fils liegende Holz-Erde-Lager war für eine etwa 500 Mann starke Kohorte ausgerichtet. Es diente wohl dem Schutz und auch als Unterkunft für die beim Straßenbau im damaligen „Feindesgebiet“ eingesetzten Pioniere. Die Besatzung des Kleinkastells Schonterhöhe hatte einen ähnlichen Auftrag, nämlich einen Albaufstieg zu sichern. Bei der Suche nach dem Verlauf einer von Bad Ditzenbach heraufführenden Trasse gibt es inzwischen einen konkreten Anhaltspunkt.

Im Zuge der letzten großen Grenzverschiebung nach Osten verloren die beiden Militärstützpunkte ihre Funktion und wurden aufgelassen. Denn seit der Zeit um 160 n. Chr. gehörte das Gebiet des Landkreises Göppingen mit der Fertigstellung des Obergermanisch-Rätischen Limes zum zivil besiedelten Hinterland. Romanisierte Kelten und Zuwanderer aus anderen Provinzen bildeten die Bevölkerung. Die meisten römischen Fundstellen markieren Standorte von Gutshöfen (villae rusticae). Diese ummauerten Großbetriebe besaßen repräsentative Wohngebäude, Bäder, Wirtschaftsgebäude, Werkstätten, Friedhöfe und Heiligtümer. In Gingen ist ein solches Heiligtum durch ein Merkurrelief und zwei Votivaltäre belegt. Ihre Inschriften zeugen von Gelübden der Stifterin, einer Dame namens Claudia Messorina – der ältesten anhand einer Schriftquelle belegbaren Bewohnerin des Filstals.

Gingen, Votivaltar. Gestiftet von einer Claudia Messorina, 2. bis Mitte 3. Jh. nach Chr. (Foto: Katja Bode)
Gingen, Votivaltar. Gestiftet von einer Claudia Messorina, 2. bis Mitte 3. Jh. nach Chr. (Foto: Katja Bode)

Auch im Umfeld des aufgegebenen Kleinkastells Schonterhöhe gibt es zahlreiche Spuren nachfolgender ziviler Besiedlung. Hier lokalisierte die Kreisarchäologie Göppingen im Jahr 2000 einen Bestattungsplatz und konnte ein reich mit Keramik ausgestattetes Brandgrab aus der Zeit um 200 n. Chr. freilegen.

Reiche Keramikfunde aus einem Brandgrab der Zeit um 200 n. Chr. auf der Schonterhöhe bei Deggingen (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)
Reiche Keramikfunde aus einem Brandgrab der Zeit um 200 n. Chr. auf der Schonterhöhe bei Deggingen (Foto: Kreisarchäologie Göppingen)

Zu Beginn des 3. nachchristlichen Jahrhunderts geriet das Römische Reich in eine schwere Krise, in deren Folge der Limes 259/260 n. Chr. aufgegeben wurde. Ein Großteil der Zivilbevölkerung verließ die „decumates agri“ zwischen Rhein und Donau. Auch im Gebiet des Landkreises Göppingen fielen die aufgegebenen Ländereien nur wenig später in den Besitz germanischer Neusiedler.

Weiterführende Literatur

Walter Lang, Siedlung und Gräber – Römer auf der Schonterhöhe, Deggingen, Kreis Göppingen, Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen Band 11, 2001, S. 9-18

Alexander Heising/Sarah Roth, Reinhard Rademacher, Straßen, Steigen und Kastelle – Albtrauf und Albvorland in römischer Zeit. Ein Forschungsprojekt im Kreis Göppingen. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2019, S. 156-159

Sarah Roth, Die Römer zwischen Neckar und Alb – Ein neues Forschungsprojekt im Kreis Göppingen. Hohenstaufen/Helfenstein. Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen, Band 20, 2020, S. 279-284

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