Schätze des Kreisarchivs

7. Firmengeschichte der Württembergischen Metallwarenfabrik

Im Juli stand die 170-jährige Geschichte der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) in Geislingen an der Steige im Mittelpunkt.

Titelseite eines Katalogs der WMF von 1891 (Bibliothek Kreisarchiv Nr. 3376)
Titelseite eines Katalogs der WMF von 1891 (Bibliothek Kreisarchiv Nr. 3376)

1853 gründete Daniel Straub zusammen mit den Brüdern Louis und Friedrich Schweizer in Geislingen die "Metallwarenfabrik Straub & Schweizer", die 1880 mit der Esslinger "Metallwarenfabrik A. Ritter & Co." zur "Württembergischen Metallwarenfabrik" oder kurz "WMF" vereinigt wurde. Im 19. Jahrhundert war man als Metallwarenfabrik einer der Marktführer der Branche und verfügte neben dem Hauptsitz in Geislingen bald über kleinere Produktionsstätten in Berlin, Köln, Warschau oder Wien. Innerhalb von nur 30 Jahren entwickelte sich die Firma zu einem Großbetrieb mit über 4000 Angestellten und stieg zum größten Industrieunternehmen Württembergs auf. Auch auf der hier gezeigten, bunt gestalteten Titelseite des ersten WMF-Katalogs aus dem Jahr 1891 wurde bereits stolz darauf aufmerksam gemacht.

Während vor dem 1. Weltkrieg überwiegend galvanisch versilberte und vernickelte Tafel- und Ziergeräte, Kupfer- und Messingwaren, aber auch verschiedenste Skulpturen und kunsthandwerkliche Dekorationsgegenstände aus Metall, Glas und Keramik hergestellt wurden, spezialisierte man sich nach 1918 auf die Produktion von Haushaltswaren wie Kaffeemaschinen und Kochtöpfen, Glaserzeugnissen und vor allem Besteck.

Werbeanzeige für Cromargan-Besteck (Bibliothek Kreisarchiv Nr. 2515.16)
Werbeanzeige für Cromargan-Besteck (Bibliothek Kreisarchiv Nr. 2515.16)

Die Firma erarbeitete sich einen guten Ruf und erlangte weltweite Bekanntheit für die Langlebigkeit und Qualität ihrer Produkte. Ausschlaggebend hierfür waren in späteren Jahren insbesondere die Entwicklung des Edelstahls "Cromargan" und die Einführung der Produktreihe des Patent-Bestecks. Cromargan, eine Legierung aus Chrom, Nickel und Stahl, wurde 1912 von der Firma Krupp in Essen erfunden. Als rostfreier und säureresistenter Werkstoff kam er ab 1927 beim Geislinger Traditionsunternehmen zum Einsatz. Das Metall wurde in den Folgejahren für WMF patentgeschützt, es entstand die bekannte Marke "Cromargan". Bis heute werden viele Produkte der Firma aus diesem Edelstahl hergestellt, so z. B. Kaffeemaschinen, Besteck oder Töpfe.

Im Jahr 2023 feierte die WMF 170 Jahre seit Gründung der "Metallwarenfabrik Straub & Schweizer". Kein Unternehmen hat dem Namen der Stadt Geislingen in dieser Zeit zu solcher Bekanntheit verholfen und die jüngere Geschichte der Region so geprägt wie die Württembergische Metallwarenfabrik.

8. Inventuren und Teilungen

Im August wurde die 151 Jahre alte Beibringensinventur der Marie Kugel gezeigt.

Beibringensinventur über Marie Kugels Eigentum im Jahr 1872
Beibringensinventur über Marie Kugels Eigentum im Jahr 1872

Seit dem 16. Jahrhundert dokumentierten die „Inventuren und Teilungen“ das Vermögen, welches Brautleute in eine Ehe miteinbrachten (Inventur), beziehungsweise das nach dem Tod einer Person an die Erben verteilt wurde (Teilung). Diese Auflistungen wurden von den Gemeinden und Städten angefertigt, um möglichen Erbstreitigkeiten vorzubeugen. Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 wurden die Inventuren und Teilungen schließlich durch zumeist deutlich weniger ausführliche notarielle Nachlassakten ersetzt.

Als historische Quellen bieten Inventuren und Teilungen detaillierte Einblicke in Alltagsleben und Besitzverhältnisse quer durch die Bevölkerungsschichten. Angefertigt wurden die Vermögensbeschreibungen in den jeweiligen Städten und Gemeinden, in denen die betroffenen Personen lebten. Heute werden sie, wenn sie die Jahre überdauert haben, in den dortigen Archiven verwahrt. Im Kreisarchiv Göppingen liegt die zeitgenössische Abschrift einer sogenannten „Beibringensinventur“ aus Wäschenbeuren von 1872 vor.
Der Aufbau der Inventur folgte einem festen Schema. Zu Beginn wurden Ausstellungsort und -datum vermerkt, darauf folgten die Namen der Eheleute mit dem Zeitpunkt ihrer Verheiratung. Daran schloss sich eine Beschreibung des Vermögens des Mannes und anschließend jenes der Frau an.

Die hier erhaltene Beibringensinventur wurde für die Eheleute Xaver Ascher, Gipser aus Rechberg, und die Waise Marie Kugel aus Wäschenbeuren am 9. Februar 1872 in Lorch ausgestellt, da Wäschenbeuren damals noch zum Oberamt Welzheim gehörte. Geheiratet hatte das Paar 18 Tage zuvor, am 22. Januar 1872. Auf jeweils zwei Seiten finden sich das „Ehemanns-Beibringen“ und das „Ehefrau-Beibringen“. In Teil A der Aufzählung hätten Liegenschaften, von denen allerdings weder Braut noch Bräutigam welche besaßen, aufgelistet werden können. In Teil B folgt die „Fahrnis“, also sämtliche beweglichen Vermögensgegenstände, jeweils mit Wertansatz. Die Aufzählung der Gegenstände ist sehr überschaubar. Das Paar hatte wohl nur das Nötigste: Je ein Gebetsbuch, Kleider mit einem sehr geringen Wert, jeweils eine Bettlade, einen Tisch und zwei Stühle sowie eine einfache Schlafstätte. Das Küchengeschirr bestand aus einer eisernen Kachel, einem Wasserbehälter (Gölte) und einem Waschzuber. Ebenfalls wurden eine Taschenuhr, ein Spiegel und eine Kaffeemühle aufgelistet, die man im Vergleich zu den übrigen Gegenständen fast als Luxusgüter bezeichnen kann. Am Ende ergab sich ein von Schultheiß, Waisenrichter und Amtsdiener offiziell festgehaltener geschätzter Gesamtwert der bescheidenen Besitztümer des Ehepaares von 260 Gulden und 42 Kreuzern.

9. Historische Zeitungen und Pressewesen

Im September lag der Schwerpunkt auf der Geschichte der Presse und des Zeitungswesens auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Göppingen.

Anzeigenteil des Alb- und Filsthalboten vom 22. April 1863
Anzeigenteil des Alb- und Filsthalboten vom 22. April 1863

Schon kurz nach dem Fall des Monopols der Erben der Stuttgarter Buchhandlung Cotta im Jahr 1807 wurden auch andernorts in Württemberg erste Zeitungen gegründet. In Göppingen war dies 1827 zuerst das „Intelligenzblatt für die Oberamtsstadt Göppingen“, das bald darauf in „Göppinger Wochenblatt“ und ab 1902 in „Göppinger Zeitung“ umbenannt werden sollte und erst ab 1863 mit dem „Hohenstaufen“ ernstzunehmende Konkurrenz erhielt. Währenddessen war der „Alb- und Filsthalbote“ - die spätere „Geislinger Zeitung“ -  lange Zeit das vorherrschende Blatt in Geislingen.

Vor den Zeiten moderner Massenmedien wie Rundfunk, Fernsehen oder Internet waren diese zumeist recht dünnen Presseerzeugnisse eine erschwingliche (und oft auch die einzige) Möglichkeit, sich ansatzweise tagesaktuell über die neuesten Entwicklungen zu informieren. Sie enthielten nicht nur Nachrichten aus aller Welt und regionale Begebenheiten, sondern dienten häufig auch als Amtsblatt und eine Art „Schwarzes Brett“: Von amtlichen Bekanntmachungen über Stellenanzeigen, verschiedenste Verkaufsangebote, Mietgesuche und Veranstaltungsankündigungen bis hin zu Vereinsnachrichten und allerlei Werbung für regionale und überregionale Firmen, Betriebe und Produkte war nahezu alles enthalten.

Ausschnitt der Rückseite der Göppinger Zeitung vom 28. Oktober 1921
Ausschnitt der Rückseite der Göppinger Zeitung vom 28. Oktober 1921

Der liberale „Hohenstaufen“ und weitere, teils eher kurzlebige Mitbewerber wie die sozialdemokratische „Freie Volkszeitung“, wurden in den 1930er Jahren auf politischen Druck eingestellt oder gingen später in den gleichgeschalteten Göppinger und Geislinger Zeitungen auf. Mit der Gründung der „Neuen Württembergischen Zeitung“, die bis heute in einer Göppinger und einer Geislinger Ausgabe erscheint (jene zeitweise auch als „Geislinger Fünftälerbote“), wurde das Zeitungswesen im Landkreis 1946 schließlich auf neue Beine gestellt.

Heutzutage dienen diese alten Zeitungen als eine wertvolle Quelle für Forschungen zu regionalhistorischen Themen, da sie einen unverfälschten Blick auf das alltägliche Leben vergangener Zeiten ermöglichen.

Kontakt

Dr. Stefan Lang Abteilungsleiter
Dr. Stefan Lang
Abteilungsleiter
Fax +49 7161 50318-19

Michael Weidenbacher, M.A.
Kreisarchäologe

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