Geschichte des Landkreises Göppingen

Von der Frühzeit bis heute

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Kaiser Friedrich Barbarossa (rechts) und seine Söhne nehmen 1188 an der Altarweihe des Prämonstratenserklosters Adelberg teil. Fresko in der Ulrichskapelle Adelberg, 16. Jahrhundert

Mittelalter - Stauferzeit, Burgenbau und Beginn der Landesherrschaften

Viele Kulturen haben im Lauf der Jahrhunderte ihre Spuren auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Göppingen hinterlassen – Steinzeitjäger, Kelten, Römer, Alamannen oder Merowinger. Bedeutende archäologische Funde weisen auf alte Siedlungszentren und Bestattungsplätze hin.

Der Landkreis Göppingen wird gern auch als "Stauferkreis" bezeichnet. Im Wappen führt er den Löwen, das staufische Wappentier. Der Landkreis verweist damit auf die Stauferzeit. Mit dem Aufstieg der Staufer rückte das Land um ihre etwa 1070 erbaute Stammburg in den Mittelpunkt des Herzogtums Schwaben. Die Hochadelsgeschlecht stellten von 1079 bis 1268 zehn schwäbische Herzöge und sieben Könige und Kaiser. 1181 urkundete Kaiser Friedrich Barbarossa auf dem Hohenstaufen zugunsten des Klosters Adelberg. Das Umfeld der Reichsburg und die Handelsstraße durch das Filstal wurden im 12. und 13. Jahrhundert verstärkt durch einen umfangreichen Burgenbau abgesichert und mit Dienstmannen verwaltet. Burgen wie Hohenrechberg, Staufeneck, Filseck oder dem Wäscherschloss stammen aus dieser Zeit. Insgesamt befinden sich über 60 Burgen und Burgestellen auf dem Kreisgebiet.

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Das Wäscherschloss bei Wäschenbeuren - eine staufische Dienstmannenburg des 13. Jahrhunderts

Neben den Staufern verfügten weitere wichtige Adelsgeschlechter wie die Grafen von Helfenstein und Spitzenberg, die Grafen von Aichelberg oder die Herzöge von Teck über Ländereien, Burgen und Gefolgschaft. Spätestens mit dem Ende der Staufer 1268 begann der Kampf um ihre einstigen Besitzungen in Schwaben. Insbesondere die aufstrebenden Grafen von Württemberg konnten sich umfangreiche Anteile langfristig sichern. Sie konnten auch planmäßig die Besitzungen der Herzöge von Teck und der verarmten Grafen von Aichelberg aufkaufen. Schon früh fassten sie alle diese Güter zum Amt bzw. Oberamt Göppingen zusammen. Doch auch die Rechberger behaupteten einige Gebiete. Als geistliche Landesherrschaft besaß das Prämonstratenserkloster Adelberg umfangreiche Güter und Pfarreien.
Ende des 14. Jahrhunderts griff die finanzstarke Reichsstadt Ulm ins Filstal und erwarb 1382-1396 große Teile des Herrschaftsgebiets der Grafen von Helfenstein, darunter die Stadt Geislingen und zahlreiche Dörfer. Die Grenze zwischen Württemberg und Ulm lag nun bei Süßen. Die Grafschaft Helfenstein konzentrierte sich bis zum Aussterben des Geschlechts 1627 um Wiesensteig und die Hiltenburg.

Die spätgotische Ulrichskapelle des Klosters Adelberg, erbaut Anfang des 16. Jahrhunderts. Die große Klosterkirche wurde 1525 im Bauernkreig zerstört und nach der Reformation vollends abgebrochen

Frühe Neuzeit - Bauernkrieg, Reformation und Krisenzeiten

Im 16. Jahrhundert kam es zu Unruhen in der Landbevölkerung. Ursachen waren hoher Abgabendruck und immer größere Eingriffe der Obrigkeiten in das landwirtschaftlich geprägte Alltagsleben. Auch beeinflusst vom Gedankengut der Reformation gipfelte die Problematik während des Frühjahrs 1525 im Bauernkrieg. Aufständische Bauern plünderten und zerstörten dabei die Klöster Adelberg und Lorch sowie die Burg Hohenstaufen.
Nach der Niederlage der Bauern folgte einige Jahre später die Einführung der Reformation in weiten Teilen des heutigen Kreisgebiets, ab 1531 im Ulmer Territorium und ab 1534 in Württemberg. Die Chorherrenstifte in Göppingen, Boll und Faurndau wurden ebenso aufgehoben wie das Kloster Adelberg, dessen Besitz als künftig als „Klosteramt“ weiterverwaltet wurde. Katholisch blieben insbesondere die Orte der Rechberger und nach einigen wechselhaften Jahren längerfristig auch der Grafen von Helfenstein. Unter letzteren vollzogen sich ab 1562 schwere Hexenverfolgungen, denen an die 100 Frauen aus der Grafschaft Wiesensteig zum Opfer fielen.
Der 30jährige Krieg und die Erbfolgekriege des frühen 18. Jahrhunderts belasteten die Orte der Region schwer. Die Landesherrschaften hatten lange an den Folgen dieser Krisenzeiten zu tragen und waren wirtschaftlich zurückgeworfen.

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Geislingen im 18. Jahrhundert

19. und 20. Jahrhundert - Aufbruch ins Industriezeitalter

Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806) fielen ab 1810 alle Gebiete des heutigen Landkreises an das Königreich Württemberg, der ehemals Ulmer Teil hatte bis dahin einige Jahre zu Bayern gehört. Die meisten der heutigen Kreisgemeinden zählten nun zu den Oberämtern Göppingen und Geislingen. Einen enormen Schub brachte die 1847 bis Süßen freigegebene Eisenbahn durch das Filstal, wo die Tuch- und Werkzeugfabriken bald aus dem Boden sprossen. Viele Menschen aus den einstmals klein- und unterbäuerlichen Schichten fanden dort neue Arbeit. In Kuchen stand zeitweise der größte Websaal Europas, die zugehörige Arbeitersiedlung ist heute ein bedeutendes Denkmal der Industriekultur. Bis ins frühe 20. Jahrhundert erweiterte sich das Spektrum der Großunternehmen nochmals erheblich, während abseits der pulsierenden Filstalroute mit ihren überregional bekannten Firmen wie Schuler, WMF, Märklin, Boehringer oder Schachenmayr die Landwirtschaft weiterhin traditionell betrieben wurde. Der Bau der Autobahn durch den Landkreis 1934-1937 bedeutete eine weitere infrastrukturelle Erschließung.

Göppingen als Industriestadt, mit Sauerbrunnen und Synagoge. Postkarte um 1900

Kreisgründung 1938 und Folgejahre

Zurückgreifend auf Reformpläne der 1920er Jahre wurden im Oktober 1938 durch das "Gesetz über die Landesneueinteilung" in Württemberg zahlreiche Landkreise zusammengelegt – den Begriff „Oberamt“ gab es schon seit 1934 nicht mehr. Damals entstand überwiegend aus der Zusammenführung der Landkreise Göppingen und Geislingen der neue „Großkreis Göppingen“. Zusätzlich kamen einige Orte aus den aufgelösten Kreisen Kirchheim und Welzheim, sowie aus dem Kreis Schwäbisch Gmünd: die Gemeinden Aichelberg, Zell u.A., Roßwälden, Weiler, Adelberg, Baiereck, Reichenbach u. R., Winzingen und Wäschenbeuren. Abgetreten wurden lediglich die Gemeinden Reichenbach/Fils an den Landkreis Esslingen und Maitis an Schwäbisch Gmünd. Die Grundfläche hatte sich mit 610 Quadratkilometer mehr als verdoppelt. Der Landkreis umfasste nun nahezu das gesamte Filstal vom Filsursprung bis Ebersbach/Fils und bot eine nahezu ideale Anpassung an Verkehr und natürliche Zusammenhänge. Dies erleichterte das verwaltungsmäßige und wirtschaftliche Zusammenwachsen der beiden Räume um die Wirtschaftszentren Göppingen und Geislingen zu einer Einheit in den Folgejahren.
Im Zweiten Weltkrieg mussten viele Firmen auf Kriegsproduktion umstellen. Allein aus der großen jüdischen Gemeinde Göppingens wurden ab 1941 etwa 100 Menschen deportiert, nur sehr wenige überlebten den Massenmord an den europäischen Juden. In den letzten Wochen des Krieges mussten vor allem Göppingen, Wiesensteig und Wäschenbeuren teilweise schwere Luftangriffe erleiden, denen allein in Göppingen über 300 Personen zum Opfer fielen. Vom 19. bis zum 25. April 1945 wurde das gesamte Kreisgebiet von amerikanischen Truppen besetzt. Die industrielle Infrastruktur des Kreises war weitgehend intakt geblieben und ermöglichte in den 1950er Jahren einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung.

Autobahnbauviadukt bei Drackenstein, erbaut 1934-1937

Mit dem am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Kreisreformgesetz wurden 60 der 63 Kreise des Landes aufgelöst und in 35 Land- und 9 Stadtkreise neu gegliedert. Der Landkreis Göppingen blieb dabei weitgehend unversehrt erhalten. Dazu kamen die Gemeinden Türkheim und Waldhausen sowie Maitis, die nach Geislingen bzw. Göppingen eingemeindet wurden. Die Fläche des Landkreises beträgt nunmehr 642 km².
Seit der 1975 abgeschlossenen Gemeindereform zählt er 38 Gemeinden, darunter die Städte Göppingen, Geislingen an der Steige, Donzdorf, Ebersbach an der Fils, Eislingen/Fils, Lauterstein, Süßen, Uhingen und Wiesensteig.
Die Einwohnerzahl von gut 110 000 im Jahr 1938 nahm in der Nachkriegszeit stark zu, insbesondere durch die Aufnahme von über 48.000 Heimatvertriebenen und Flüchtlingen sowie die vermehrt zuziehenden ausländischen Arbeitnehmer. Sie verdoppelte sich bis etwa 1978. Heute ist der Landkreis Lebensmittelpunkt von rd. 250 000 Einwohnern.

Literatur:

  • Der Kreis Göppingen, Veröffentlichungen des Kreisarchivs Göppingen, Band 11, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 1985
  • Heinrich Domes/Giacinto Carlucci, Stauferkreis Göppingen – Momentaufnahmen zur Jahrtausendwende, Veröffentlichungen des Kreisarchivs Göppingen, Band 15, Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, 1999
  • Franz Weber/Albrecht Gmähle, Der Fils entlang – Eine Reise durch den Stauferkreis Göppingen, Veröffentlichungen des Kreisarchivs Göppingen, Band 14, zweite Auflage, Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, 2007
  • Hohenstaufen/Helfenstein – Historisches Jahrbuch für den Kreis Göppingen, Herausgegeben vom Geschichts- und Altertumsverein Göppingen und dem Kunst- und Geschichtsverein Geislingen im Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, Bände 1 – 15, 1991 - 2007
  • Kultur-Almanach Landkreis Göppingen. Der Wegweiser zu den kleinen Kostbarkeiten der 38 Städte und Gemeinden, Interessensverein Freie Kulturschaffende e. V. – Initiative KulturFreienTreff Landkreis Göppingen, 2006
  • Walter Ziegler, Karl-Heinz Rueß und Anton Hegele (Hrsg.), Die Fils. Fluss - Landschaft - Menschen, Göppingen 2012 (2. durchges. Auflage) 

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