Amtliche Bekanntmachung zur Einschränkung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs vom 21.07.2022

Amtliche Bekanntmachung Landratsamt Göppingen

Das Landratsamt Göppingen als untere Wasserbehörde erlässt aufgrund §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 1, 80 Abs. 2 Nr. 3 und 82 Abs. 1 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) in Verbindung mit § 25 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und § 35 Satz 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) für das Gebiet des Landkreises Göppingen folgende

Allgemeinverfügung

zur Ausübung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs zum Schutz des Ökosystems Oberflächengewässer.

Der Gemeingebrauch gemäß § 20 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg (WG) wird wie folgt eingeschränkt:

  • Die Entnahme von Wasser aus sämtlichen oberirdischen Gewässern im gesamten Landkreis Göppingen zum Baden, Schöpfen mit Handgefäßen, Tränken, Schwemmen und zu ähnlichen unschädlichen Verrichtungen sowie in geringen Mengen für die Land- und Forstwirtschaft und den Gartenbau (Gemeingebrauch) wird hiermit untersagt.
  • Die untere Wasserbehörde kann auf Antrag eine widerrufliche Ausnahmeerlaubnis von der Untersagung des Gemeingebrauchs erteilen, soweit eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit ausgeschlossen ist, keine nachteiligen Auswirkungen auf die Ordnung des Wasserhaushalts und den Schutz der Natur zu erwarten sind oder wenn die Regelungen zu einer unbilligen Härte führen würden.
  • Die sofortige Vollziehung dieser Allgemeinverfügung wird hiermit angeordnet.
  • Die Allgemeinverfügung tritt am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft und gilt zunächst bis 31.08.2022.

Hinweise

Die Allgemeinverfügung mit Begründung kann im Landratsamt Göppingen, Umweltschutzamt, Lorcher Str. 6, 73033 Göppingen, Zimmer Nr. C 122 zu den üblichen Öffnungszeiten eingesehen werden.

Zuwiderhandlungen gegen diese Allgemeinverfügung stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit Geldbuße geahndet werden.

Über den Inhalt dieser Allgemeinverfügung wurden das für den Landkreis Göppingen zuständige Polizeipräsidium sowie die Ortspolizeibehörden der Städte und Gemeinden im Geltungsbereich informiert.

Der Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung hat keine aufschiebende Wirkung. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Augustenstraße 5, 70178 Stuttgart, ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Landratsamt Göppingen eingelegt werden.

Begründung

Rechtsgrundlage dieser Allgemeinverfügung sind die §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1, 80 Abs. 2 Nr. 3 und 82 Abs. 1 Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) i. V. m. § 25 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) sowie § 35 Satz 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG).

In den Monaten Januar bis Juni 2022 fielen in Baden-Württemberg nur rund 3/4 des Gebietsniederschlages, der im langjährigen Mittel für diesen Zeitraum üblich ist. Abgesehen von lokalen Gewittergüssen oder Starkniederschlägen war die Witterung in den vergangenen Monaten somit relativ trocken. Als Folge dessen hat sich in zahlreichen Gewässern im gesamten Land und auch im Landkreis Göppingen Niedrigwasser entwickelt.

Durch die extreme Trockenheit der letzten Wochen verbunden mit den hohen Tagestemperaturen von über 30 Grad Celsius sind in den Fließgewässern in über 70 Prozent des Landes, auch im Landkreis Göppingen, Niedrigwasserabflüsse aufgetreten. Die anhaltende Hitze, niedrige Grundwasserstände und fehlende Niederschläge verursachen neben den anhaltend niedrigen Wasserständen in den Fließgewässern erhöhte Wassertemperaturen und niedrige Sauerstoffwerte.

Wasserentnahmen können das Abflussregime beeinträchtigen, in Niedrigwassersituationen negative Einflüsse auf das Ökosystem des Gewässers haben und das Erreichen eines guten ökologischen Zustands oberirdischer Gewässer nach § 27 WHG gefährden. Im Landkreis Göppingen sind die Abflüsse in den Gewässern alle unter den Mittelwert niedrigster jährlicher Abflüsse (MNQ) gefallen. Beim Pegel in Geislingen/Fils beträgt dieser statistische Abflusswert derzeit sogar nur die Hälfte des langjährigen Mittels. Erst nach langanhaltenden Niederschlägen kann mit einer Verbesserung gerechnet werden. Kurze starke Niederschläge, wie sie bei einem Gewitterregen auftreten, führen nur sehr kurzfristig zu einer Erhöhung des Abflusses in den Gewässern.

Nach den Prognosen des Wetterberichts für die nächsten 14 Tage sind keine umfangreichen Niederschläge vorhergesagt, so dass sich die Niedrigwassersituation in den Gewässern eher noch verschärfen wird. Auch die Großwetterlage lässt keine grundlegende Änderung der derzeitigen Niederschlagssituation im Filseinzugsgebiet erwarten, so dass sich die Wasserstände in den Oberflächengewässern voraussichtlich nicht bis Ende August 2022 stabilisiert haben werden.

Durch die geringe Wasserführung drohen nicht nur dem Fischbestand sondern insbesondere auch sämtlichen im Gewässer lebenden wassergebundenen Tieren und Pflanzen gravierende Schäden.

Die weitere ungeregelte und erlaubnisfreie Entnahme von Wasser aus den Oberflächengewässern würde diese Gefahr zusätzlich erhöhen und die Selbstreinigungskraft der Gewässer verschlechtern. Aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Ordnung des Wasserhaushalts und des Schutzes der Natur ist daher eine vorübergehende Beschränkung des Gemeingebrauchs dringend erforderlich, da weniger einschneidende Maßnahmen ausscheiden.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO). Danach kann der Sofortvollzug angeordnet werden, wenn es im öffentlichen Interesse geboten ist. Der umgehende Schutz der durch die Trockenheit bedrohten Tier- und Pflanzenwelt sowie die Aufrechterhaltung des Ökosystems Wasser liegen eindeutig im öffentlichen Interesse. Es ist daher nicht vertretbar, dass durch die Einlegung von Rechtsmitteln bestehende oder neue Wasserentnahmen getätigt werden können, die zu einer weiteren Verschlechterung der Selbstreinigungskraft und des Mindestwasserabflusses der Gewässer und der Lebensbedingungen im Naturhaushalt führen. Etwaige Einzelinteressen haben sich daher dem öffentlichen Interesse unterzuordnen, da die geforderten Maßnahmen keinen weiteren Aufschub zulassen.

Göppingen, den 21.07.2022

gez.

i.V.
Jochen Heinz

Erster Landesbeamter