Der "Fischsaurierfriedhof Eislingen"

Die Ausgrabung einer weltweit einmaligen Fossillagerstätte

Ausgrabung während der Bauarbeiten der B10

Spurensuche im Schlamm der Jahrmillionen

Im Jahr 2002 wurde beim Bau der neuen B10-Trasse eine ausgedehnte Fossillagerstätte entdeckt. Unter dem Namen "Fischsaurierfriedhof Eislingen" wurden diese Funde in den Jahren 2002 bis 2006 in mehreren Grabungskampagnen ("Eislingen I – VII“) eingehend untersucht. Zwischen dem 2. September und dem 12. November 2006 wurden die Funde in der Ausstellung "In einem Meer vor unserer Zeit - Das Jurameer vor 181 Millionen Jahren“ in der Stadthalle von Eislingen/Fils präsentiert.

Weitere Informationen zur Ausstellung

Ausgrabungen während der Bauarbeiten der B 10Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts zwischen der Kreisarchäologie Göppingen und dem Institut für Geowissenschaften der Eberhard Karls Universität Tübingen wurde aber nicht allein der namengebende Fundplatz südlich von Eislingen/Fils erforscht, sondern auch andere Aufschlüsse in der Umgebung des mittleren Filstals lokalisiert, an denen die fundführende Schicht überraschenderweise ebenfalls nachweisbar war. Die tonig-mergelige Ablagerung erstreckt sich auf einer Fläche von mindestens 20 km² und enthält hervorragend erhaltene Skelettreste von Tieren, die das subtropisch warme Jurameer in der Zeit  vor 181 Millionen Jahren bevölkerten. Das „Eislinger Belemnitenschlachtfeld“ befindet sich an der Grenze zwischen dem Unteren und Oberen Toarcium.  

Einzeller und schwimmende Raubechsen

Das Fundspektrum umfasst Skelettreste von Fischsauriern, Schlangenhalssauriern, Meereskrokodilen, Flugsauriern, Knorpel- und Knochenfischen sowie Spuren kleinerer und kleinster Meeresbewohner. Das Knochenmaterial ist im Gegensatz zu den berühmten Funden aus Holzmaden dreidimensional erhalten und zeigt feinste Strukturen des Knochengewebes. An allen untersuchten Stellen bot sich den Ausgräbern das gleiche Bild. Die Fundschicht ist mit einzelnen Knochen sowie mit Skelettresten durchsetzt, die durch die Einwirkung der Meeresströmung auseinandergezogen wurden. Mehrfach war jedoch auch noch ein grober körperlicher Verbund erkennbar. Zumeist lagen in unmittelbarer Umgebung der Skelette kleinere und größere Treibhölzer.

Ausgrabungsarbeiten    Ausgrabungsarbeiten

Neue Fundstellen nördlich des Filstals

Spurensiuche bei Göppingen-BartenbachÜberraschend konnte die Fundschicht im Herbst des Jahres 2003 auch beim Bau eines Sportplatzes nördlich des Filstals bei Göppingen-Bartenbach nachgewiesen und untersucht werden („Bartenbach I“). Eine weitere Ausgrabung fand an diesem Fundplatz im Herbst 2004 statt („Bartenbach III“).

Im Rahmen systematischer Geländebegehungen gelang es, die Fundschicht 2004 auch im Bett des Meerbachs nahe des Weilers Lerchenberg auf der Gemarkung von Göppingen-Bartenbach zu lokalisieren. Durch die Erosionswirkung des fließenden Gewässers waren hier zahlreiche Teile vom Skelett eines Meereskrokodils im Sediment freigelegt und gut erkennbar („Bartenbach II“). Aufgrund der Gefährdung dieser bestens erhaltenen Knochen wurde umgehend eine Notbergung durchgeführt. Mit Unterstützung der Feuerwehr von Bartenbach konnte ein Staudamm aus Sandsäcken errichtet werden. Anschließend wurde das Wasser mit Hilfe starker Pumpen durch mehrere Feuerwehrschläuche abgesaugt und unterhalb der Fundstelle wieder in das Bachbett eingeleitet. Bei den Freilegungsarbeiten zeigte es sich, dass ein Großteil des Skeletts noch in der stark erosionsgefährdeten Böschung des Bachbetts verborgen lag.

Zur vollständigen Bergung aller Knochen dieses Meereskrokodils wurde hier im August des Jahres 2005 noch einmal eine 60 m² große Fläche des „Eislinger Belemnitenschlachtfelds“ vollständig ausgegraben („Bartenbach IV“). Im Verlauf der Freilegungsarbeiten stellte sich heraus, dass unmittelbar neben dem Meereskrokodil auch noch das verdriftete Skelett eines Fischsauriers lag. Zur Freude des Grabungsteams gab die Fundschicht auch am Meerbach wieder sehr interessante Knochen von Flugsauriern preis. Kleinere Relikte von Treibhölzern und viele Reste von Kleinlebewesen rundeten das Bild ab. Völlig überraschend war die Ablagerung im Bereich der Fundplätze „Bartenbach II und IV“ jedoch derart hart ausgebildet, dass nur eine schwierig durchzuführende Blockbergung in Frage kam.

Zukünftige Geländearbeiten

Mit einer letzten Ausgrabung an der B10-Trasse bei Eislingen im Jahr 2006 („Eislingen VII“) sind die umfangreichen Arbeiten im Gelände zunächst einmal abgeschlossen.

Weitere Untersuchen werden jedoch sicher folgen, wenn der Fischsaurierfriedhof Eislingen bei zukünftigen Bodeneingriffen im Rahmen von Hoch- und Tiefbaumaßnahmen durch die Baumaschinen gefährdet wird. Inzwischen wurde eine Kartierung angefertigt, in der die Zonen markiert sind, in denen die Fundschicht mit ihrem wertvollen Inhalt entlang der Talränder besonders stark bedroht ist. Anhand dieser Informationen ist ein schnelles und mit allen beteiligten Bauplanern sowie mit den Baufirmen gut abgestimmtes Vorgehen möglich. Eine im Vorfeld gut koordinierte Planung gewährleistet einen reibungslosen Ablauf der notwendigen Untersuchungen sowie der Bauabläufe.

Spannung pur: das wissenschaftliche Projekt

Die Erforschung des Fischsaurierfriedhofs Eislingen ist ein Paradebeispiel dafür, dass auch in der Paläontologie noch immer zufällige Entdeckungen und das Engagement von Wissenschaftlern, ehrenamtlichen Sammlern und örtlichen Helfern wichtige Beiträge zur modernen Forschung liefern können. Und so entwickelte sich die Erforschungsgeschichte des Saurierfriedhofs völlig anders als „normale“, von langer Hand geplante Wissenschaftsprojekte. Alles begann im Sommer 2002 mit dem Zufallsfund eines Fischsaurierknochen auf der Baustelle zur Anlage der neuen B 10-Trasse bei Eislingen/Fils.

Sichtung der Funde    Fischsaurier

Aus zwei Gründen zog die neue Fundstelle sehr schnell das Interesse der Wissenschaftler auf sich:

Die meisten Fossilen aus der Posidonienschiefer-Formation sind durch die massive Kompaktierung des Gesteins stark verdrückt und flachgepresst. Bereits die ersten Funde aus Eislingen waren jedoch völlig unverdrückt und dreidimensional erhalten. Auch bei allen weiteren Grabungen kam entsprechendes Material in großer Zahl zutage.

Der zweite Grund für das wachsende wissenschaftliche Interesse war die Taphonomie der Fundstelle. Die Taphonomie befasst sich mit der Entstehung einer Fossillagerstätte. Bei den mehrjährigen Ausgrabungen wurde bald klar, dass sich der Fischsaurierfriedhof Eislingen von allen bisher bekannten Fossillagerstätten aus der Posidonienschiefer-Formation unterschied. Über mehrere Quadratkilometer liegen fossile Knochen verstreut. Durch eine starke Bodenströmung waren alle Skelette zerlegt und die Knochen auf dem Meeresboden unterschiedlich stark verteilt worden. Die Erklärungsmodelle üblicher Posidonienschiefer-Fundstellen versagten hier also völlig. Einen wertvollen Hinweis lieferten schließlich geochemische Gesteinsanalysen. Auffällige Abweichungen in dem Verhältnis der Kohlenstoffisotope deuten darauf hin, dass zur Entstehungszeit des Fischsaurierfriedhofs ein Methangasausbruch am Meeresboden stattgefunden hat. Dieser könnte zum schnellen Tod der Fischsaurier und anderer Meereslebewesen beigetragen haben. Tatsächlich ist seit kurzem durch geochemische Untersuchungen bekannt, dass es im europäischen Bereich während des Unteren Jura immer wieder zu Methanausbrüchen am Meeresboden kam. Doch bisher waren die ökologischen Auswirkungen solcher Katastrophen nie im Fossilbericht belegt. In dieser Beziehung ist nun der Fischsaurierfriedhof  Eislingen international von sehr großem Interesse für die Paläontologie, könnte es sich doch um den ersten und bisher einzigen Fall handeln, in welchem im Gestein sowohl die geochemische Signatur eines Methanausbruches wie auch das Absterben der Meeresbewohner durch dieses Ereignis dokumentiert ist.

Das Interesse an diesem Zusammenhang ist dabei um so größer, als solche Katastrophen einen direkten Bezug zur Gegenwart aufweisen. Im Unteren Jura erwärmte sich die Erdatmosphäre deutlich und dies führte zur Destabilisierung mariner Methangaslager. Auch heute leben wir in einer Zeit einer globalen Erwärmung und es mehren sich die Hinweise, dass auch die Methangasausbrüche in den heutigen Meeren stark zunehmen.

Die Fossillagerstätte in Eislingen hat uns durch Zufall einen Einblick in wichtige Zusammenhänge zwischen der Klimaentwicklung und den marinen Ökosystemen des Unteren Jura gewährt. Durch das Engagement der Stadt Eislingen, des Landkreises Göppingen sowie auch von privater Seite konnten die Wissenschaftler der Universität Tübingen und der Kreisarchäologie Göppingen diesen einmaligen Fundort mit zahlreichen studentischen und freiwilligen Helfern untersuchen und seine Geheimnisse aufdecken. Die endgültige wissenschaftliche Bearbeitung aller Funde und Daten wird noch mehrere Jahre dauern.