Ausgrabungen in der Göppinger Altstadt

Funde aus Mittelalter und Neuzeit

Spuren der Göppinger Stadtbefestigung im "Roth-Carré“

Im Rahmen der Neubebauung des "Roth-Carrés“ wurde 2006 ein Teil des alten Gebäudekomplexes von 1953 abgerissen. Bei den Aushubarbeiten für den Neubau stieß der Bagger am Südrand der Baugrube auf die Reste eines Gebäudes, das zu der vorstädtischen Bebauung des ausgehenden Mittelalters gehörte.

Historische Göppinger Stadtansicht

Unweit dieser Fundamentierung trat ein gewaltiger, zwei Meter breiter Mauerzug aus exakt geschnittenen Sandsteinquadern zutage. Bei diesem Befund handelt es sich um ein bisher unbekanntes Vorwerk, das im Verlauf der Neuzeit als Flankenschutz für das Obere Tor angelegt wurde. Die Grenze zwischen dem "Roth-Carré“ und dem Areal der Stadtkirche bildet bis heute der Verlauf der äußeren Stadtmauer, die hier auf einer Länge von 55 m freigelegt werden konnte. Auf einem 2,30 m breiten Fundamentsockel folgte die 1,80 m breite Sandsteinmauer, die nach dem Stadtbrand von 1782 bis auf eine Resthöhe von 1,40 m geschleift durch eine schmälere Mauer ersetzt wurde. Zur Entwässerung legte man vor der äußeren Mauer einen Graben an, der durch einen Kanal im Fundamentsockel mit dem eigentlichen Stadtgraben verbunden war.

Reste der historischen Stadtmauer mit Brunnen    Reste der historischen Stadtmauer vor der Stadtkirche 

Nach 1782 wurde im Bereich des inzwischen zugemauerten Kanals ein Brunnen gebaut, der nach Aussage der Funde in der Verfüllung noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Betrieb war. Bei den Freilegungsarbeiten konnte ein interessantes Spektrum an spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Gefäß- und Ofenkachelbruchstücken geborgen werden. Vom Alltagsleben in Göppingen vor dem zweiten Stadtbrand erzählen auch Scherben von Gläsern, Knochen von Haus- und Wildtieren sowie einzelne Metallobjekte, darunter ein bronzener Wasserhahn mit einem Griff in Form eines Hahns.

Rund um die "Neue Mitte"

Ein besonderes Augenmerk galt 2003 den umfangreichen Bauarbeiten zur Neugestaltung der Hauptachsen der Göppinger Altstadt ("Neue Mitte“). Bei den Bauarbeiten in der Haupt-, Post- und Marktstraße waren Funde und Baubefunde aus dem mittelalterlichen Göppingen zu erwarten. Die tief in den Untergrund vorgetriebenen Kanalgräben in der Marktstraße erbrachten keinerlei Hinweise auf die Existenz einer von der älteren Forschung immer wieder auf dieser Linie postulierten Stadtbefestigung. Im Aushub konnten jedoch die Randscherben von Gefäßen aus der Zeit des 11. bis 14. Jahrhunderts geborgen werden. Vor dem Haus Poststraße 45 wurde ein Rest
der hier in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Stadtmauer mit dem Ansatz einer Torwange des Neuen Tors (Posttor) freigelegt. Weiter östlich fanden sich vor den Gebäuden Poststraße 42 und 43 Spuren der ehemaligen Zwingermauer. Auf Höhe des Gebäudes Hauptstraße 31 war die Zwingermauer zwar noch gut erkennbar, jedoch durch zahlreiche moderne Leitungs- und Kanalgräben stark ausgebrochen. Dahinter folgte ein gewaltiges
Mauerfundament, bei dem es sich um Reste der nördlichen Torwange des Oberen Tors handelte. Mauerfundamente im Einmündungsbereich des Schillerplatzes in die Hauptstraße sind entweder mit einer nach 1782 entstandenen neuen Toranlage oder mit mittelalterlichen Vorstadthäusern in Verbindung zu bringen. Diese außerhalb der Stadtbefestigung errichteten Häuser sind gut auf einer Stadtansicht von Matthäus Merian aus dem Jahr 1643 erkennbar.

Nach dem Abriss des Gebäudes Schillerplatz 5 kamen bei den Aushubarbeiten für einen Neubau schwere Fundamentreste zum Vorschein, die quer durch den hier ebenfalls freigelegten Stadtgraben zogen. Es handelt sich dabei um Spuren eines Vorbaus der Stadtbefestigung, dessen Funktion und Größe in dem kleinen Ausschnitt der Baugrube jedoch nicht zu klären war. Nach der Auffüllung des Stadtgrabens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das durch den ehemaligen "Schüsselgraben“ fließende Wasser durch einen Ringkanal abgeleitet, dessen sauber gemauertes Gewölbe noch gut erhalten war. Im Schlick des Stadtgrabens fanden sich zahlreiche interessante Scherben von Gefäßen aus der Zeit vor und während des Stadtbrands von 1782.

In der Zeit vom August bis November 2005 wurden in Göppingen die Bauarbeiten im "Haux-Areal“ regelmäßig überwacht. Das geborgene Fundmaterial besteht aus sekundär umgelagerter Keramik des Spätmittelalters und der Neuzeit. Vor Baubeginn wurden mehrere nach dem Stadtbrand von 1782 errichtete Häuser abgerissen. Die noch von deren mittelalterlichen Vorgängerbauten stammenden Gewölbekeller fielen leider den Baggerschaufeln zum Opfer. Einmal mehr ging hier wieder ein Stück Stadtgeschichte unwiederbringlich verloren!